Große Halbdenker

 


Wenn das Huhn die Brust rausstreckt und mit seinem Sauriergang meist sehr schnell einem Ziel entgegenstrebt, das dem Beobachter – und vielleicht insgeheim auch dem Huhn unklar bleibt –, ist das durchschnittliche Huhn doch sehr meinungsstark, sprich laut unterwegs. Hier reißt natürlich aufgrund mangelnder Sprachkenntnis das menschliche Verständnis für die Inhalte der Äußerungen des Huhns ab. Dabei gelingt es jedem einzelnen Huhn die meist zeitgleichen Äußerungen aller anderen Hühner, die sich in gleicher Weise auf oft ganz andere Ziele zubewegen, zu ignorieren. Der Mensch unterscheidet sich als solcher hier kaum vom Huhn, wobei gerade die Lautstärke der Äußerungen schon so manches Huhn, insbesondere aber so manchen Hahn den Kopf durch Menschenhand hat verlieren lassen. Derzeit, also seit dem 24. Februar des Vorjahres ist auch unter den Menschen, insbesondere den außergewöhnlich wichtigen diese gleiche meinungs- und lautstarke Kakophonie und Orientierungslosigkeit zu vernehmen. Die allerdings, ein Jahr nach der von dem seiner eigenen Meinung nach besonders bedeutenden Killerhahn betriebenen Attacke zu verschiedenen Zusammenrottungen der Hühner führen, die das Friedensdemos nennen und allerlei Forderungen und Halbgedanken zu formulieren wissen. 


An dieser Stelle möchte ich mich kurz als ebenfalls meinungsstark und fehlbar outen: Zu Beginn der Attacke des Killerhahns wunderte ich mich, warum denn kein James Bond dieses menschliche Trauerspiel eines 70Jährigen zum Pluto schießt oder ein einseitig gelähmter John Wayne um die Ecke geritten kommt und den Übeltäter mit einem Bauchschuss aus der Winchester zum langsamen Verbluten unter Eingeständnissen der Schuld und Schwäche bringt. Besonders wichtig waren (und sind mir dabei insgeheim noch immer) der Leidensweg des fatal Getroffenen und die maximale Entfernung vom Planeten. Absurderweise ist das bisher nicht passiert, obwohl man mit einem Gewehr auf eine Distanz von über zwei Kilometer zielgenau schießen kann. Und warum tritt nicht einfach einer mit einer Pistole hinterm Vorhang bei diesem absurden ovalen Tisch hervor und erschießt den Hahn oder macht es mit einem Baseball Bat klar oder stellt diese Szene aus dem Joker mit dem Bleistift nach? Nun ja die Gewaltphantasien nehmen kein Ende, wenn ich an den kleinen Killerhahn und seine Gefolgschaft denke. Und eben diese Gedanken ließen mich zunächst auch eine schnelle Auslöschung des Kreml durch die NATO herbeisehnen. Ich stellte mir eine riesige, tiefe dampfende Grube inmitten Moskaus vor. Zum Glück sind weder Friedrich der Große noch ich Kanzler, sondern einer, der sich unter Kontrolle hat, der bei Verstand bleibt, sogar, wenn er dem Killerhahn gegenübersitzt. Dafür bin ich inzwischen sehr dankbar.


Ich frage mich aber, ob die lautesten Stimmen unter den heutigen Kommentator*innen sich wohl auch eines Tages dafür bedanken werden, dass da einer sein Hirn benutzt, statt halbe Gedanken zu äußern. Da ist die von der CDU in die Bundesversammlung berufene BILD-Kommentatorin und ehemalige Feministin, der man vielleicht ihr Alter als möglichen Grund für einsetzende (oder ist es schon anhaltende) Demenz zugute halten könnte. Sie hat sich mit Sahra „Rosa“ Wagenknecht, der Gattin des Napoleons von der Saar zusammengetan, um gemeinsam den Westen aufzufordern, dem Killerhahn ein Friedensangebot zu machen und doch als kollektiver Westen dem angegriffenen Bauernvolk endlich den Schutzschild zu entreißen. Nun ja, die beiden Damen haben andere Unterstützer gefunden. Da wäre der ebenfalls sehr alte ehemalige Hamburger Bürgermeister von sowjetisch besetztem Adelsgeschlecht nebst Ehefrau, der ein wenig geschichtsvergessen ist, wenn es passt. Und da ist der sprachlich und auch sonst etwas gestörte Führer einer verfassungsfeindlichen total geschichtsvergessenen Partei, der weder einen einzigen deutschen Dichter benennen kann, noch je gehört hat, dass seine Partei Wahlkampfhilfen aus Moskau bekommt. Diese Versammlung möchte „Frieden schaffen, ohne Waffen“. 

Da kommen doch eine Menge Fragen auf. Die erste scheint mir zu sein, ob eine dieser Personen zu den Opfern des Killerhahns gehört oder was sie berechtigt über die Köpfe der Opfer hinweg, deren klar formulierte Wünsche zu ignorieren? Eine zweite wäre, ob sie sich nicht vielleicht lieber in Bewegung setzen sollten, um die verschleppten Kinder wieder zu finden? Naja und dann ist da ja noch die Frage, worüber diese Leute verhandeln wollen würden und mit wem? Wollen sie zu dem Killerhahn gehen und dem Killerhahn sagen:
„Lieber Killerhahn,
natürlich ist Dein Angriffskrieg kein Angriffskrieg, sondern eine Spezialoperation. Und natürlich hast Du historisch gesehen vollkommen Recht, dass man als guter Zar oder Soviet den Bruder gelegentlich auch mal umbringen muss, vor lauter Liebe und Zusammengehörigkeitsgefühl. Und natürlich muss man ihn berauben, ermorden, vergewaltigen, eben vernichten, aber es wäre doch wirklich klasse, wenn Du jetzt mal kurz wieder Pause machst, so wie letztes Mal nach Deinem Überfall auf die Krim. Du hast doch ohnehin schon die Annexion Weißrußlands für 2030 geplant.
Ach ja, lieber Killerhahn, natürlich glauben wir Dir auch weiterhin alles was Du sagst, auch wenn wir wissen, dass es frei erfunden ist, denn lieber Killerhahn, wir sind leider vollkommen orientierungslos ohne Dich.“ 

Kann es ein, dass diese Leute auf der Suche nach ihrer Bedeutung bereit sind, Opfer und Täter zu verwechseln? Kann es sein, dass diese Leute ohne jede Idee sind, wie es weitergeht, wenn der Killerhahn nicht gestoppt wird? Welche Wirkung wird es auf den noch viel größeren Killerhahn im fernen China haben? Kann es sein, dass diese Leute Diktaturen irgendwie ganz gut finden, weil deren Berechtigung ja historisch irgendwie nachweisbar zu sein scheint und weil die Menschen für Demokratien zu schwach sind und weil diese Leute hoffen, zu den Profiteuren jedweden korrupten Systems zu gehören? Oder sind sie vielleicht einfach nur keinen Deut klüger als die Hühner?

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