Das Ei der Erkenntnis




Der Mensch lernt im Kollektiv, das Wissen von Generationen dient seit Jahrtausenden dem Fortkommen der Menschheit, der Weiterentwicklung. Kommunikation ist dabei der Schlüssel, Lehre und Forschung sind die Motoren. Beeindruckend, wie schnell und dass es überhaupt einen Impfstoff gegen Covid-19 gibt und es sind inzwischen viele verschiedene hochwirksame Impfstoffe. Noch nie waren Informationen so umfänglich frei zugänglich, wie in den vergangenen 30 Jahren – die Digitalisierung und das World Wide Web machen es möglich, Wikipedia statt Brockhaus, Twitter, statt FAZ. Naja, Fehlentwicklungen gibt es immer.

Die Hühner haben den Sonntag nicht genutzt, um dem Lied gerecht zu werden und die Produktivität zu verdoppeln. Zum einen wäre das ja aber auch unchristlich, denn am Sonntag soll man ja ruhen, was die Hühner nun auch wieder nicht eingehalten haben. Aber meine größere Befürchtung ist, dass es den Hühnern nicht einmal bewusst ist, dass es Sonntag war. Sie scheinen mir keine Freunde der menschlichen Zeitrechnung, des Gregorianischen Kalenders und auch in Sachen Technologie, Wissenstransfer und so weiter hinken sie Teilen der Menschheit stark hinterher. Trotzdem wirken sie in ihrem Kollektiv zufrieden und genügsam, Streitigkeiten werden recht friedlich beigelegt, oft reicht ein einziges Kopfnicken, wir würden es Kopfnuss nennen, um die Rechtslage zu klären. Richter oder Menschen braucht es da nicht.

Wenn man diese wissensbefreite Gruppe beobachtet wird einem das Verständnis der Welt schwer: Ist man auf einem Irrweg, wenn man an Demokratie glaubt? Bei den Hühnern herrscht Gleichberechtigung, aber ein klares Abstimmungsverhalten ist nicht erkennbar. Und auch ihr kollektives Verhalten entspricht eher dem einer Fußballmannschaft von lauter Achtjährigen, die sind immer alle gleichzeitig am Ball, laufen als Pulk über das Spielfeld mit unabsehbaren Richtungswechseln, aber immer im Kollektiv. Die Profifussballer sprechen sich hingegen vor dem Spiel ab und jeder für sich hat dann sozusagen einen Teil des Feldes zu beackern, wenn ihm der Ball zugespielt wird. Trotzdem funktioniert Fußball nur im Kollektiv und unter der Anleitung eines gut bezahlten, weisen Diktators mit lautem Organ, der allerdings auch auf einem Schleudersitz sitzt, zumindest wenn er für den Schalker Kreisel arbeitet.

In der Welt abseits des Sportes sind in der Weltgeschichte zwar Despoten oft auch mit Schleudersitz ausgestattet, zumeist aber können sie sich in ihrer leitenden Position dank der Hilfe von Vasallen über Jahre, manche über Jahrzehnte halten. Vollkommen unverständlich ist mir, warum die Menschheit, trotz des angehäuften Wissens nicht dazu bereit ist, Despoten als solche zu sehen und sich von ihren Diensten loszusagen, auch frage ich mich, wie es den Despoten gelingt, treue Vasallen zu finden. In Myanmar beispielsweise hatte bisheriges Wissen zwar noch nicht gereicht, um Genozid für blöd zu halten, aber inzwischen reicht es, um zu verstehen, dass eine gewählte Volksvertreterin besser für die Allgemeinheit ist, als Khaki farbene Typen mit militärischer Ausbildung. Aber eigenartiger Weise haben sich ganz viele Khakis zusammengefunden, um ihre potentiellen Ehefrauen, Mütter und Väter zu beschießen oder auch gleich zu erschießen, um den erkennbaren Mehrheitswunsch zu unterdrücken. Nun ist Myanmar nicht das einzige Land, in dem es so zugeht. Es gibt sogar in Deutschland und Europa verstärkt Anhänger undemokratischer Bewegungen. Was einem wie ein Paradoxon erscheint ist für Ungarn, Polen, viele Franzosen und Deutsche, Russen, Türken, Syrer irgendwie die Lösung ihrer Probleme, dabei hätten manche von ihnen Zugang zu Wissen und alle haben Mütter. Die Hühner beschäftigen sich derweil mit ihrer grundlegenden Existenzfrage: Ei oder nicht Ei?

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