Gewissheiten



Hühner leben in einer Welt voller Gewissheiten. Darüber gibt es sogar ein Lied. Viele Menschen zitieren auch dieses Lied falsch. Im Original lautete der Text:

„Ich wollt, ich wär ein Huhn
Ich hätt nicht viel zu tun
Ich legte vormittags ein Ei
Und abends wär ich frei“


Doch auch in dem Lied paaren sich Gewissheiten mit ein paar Verunsicherungen, speziell im Geschlechterverständnis:


„Ich wollt, ich wär ein Hahn
Dann würde nichts getan
Ich legte überhaupt kein Ei
Und wär die ganze Woche frei

Dann lockt mich auf der Welt
Kein Ruhm mehr und kein Geld
Ich setz mich in den Mist hinein und sing für mich allein“


Nun ja, der Song stammt aus einem deutschen Film von 1936, einer Zeit, in der bereits viele jüdische Bürger Deutschland in Richtung der USA verlassen hatten, so natürlich auch viele Autoren der Film- und Musikbranche. Hühner sind zwar instinktiv Fluchttiere, aber vergessen in der Regel auffällig schnell, ihre Flucht fortzusetzen. Und so traf es vor zwei Wochen ein junges Huhn, wobei es auch ein Hahn gewesen sein könnte. Ein Habicht schoss aus dem Himmel und brach dem jungen Tier das Genick. Als ich heraustrat, flüchtete der Habicht, ließ seine Beute zurück und die übrigen Hühner und Hähne waren für den Rest des Tages deutlich von der Verunsicherung gegenüber ihren bisherigen Gewissheiten gezeichnet: Die Hühnerwelt im Wandel sozusagen.


Mir blieb nichts übrig als das tote Huhn (er, sie, es) mit meiner Machete zu enthaupten, es zu rupfen und auszunehmen. Alles Tätigkeiten die bis hierhin zu den Gewissheiten gehörten, dass ich sie nicht täte. Also war auch die Markwelt im Wandel.

Klar ließen sich jetzt Fragen bezüglich bisheriger Gewissheiten stellen, die bliebe das Thema der Kosmos der Hühner schon erschreckende Ausmaße annähmen, wäre da nicht die Vergesslichkeit der Protagonisten. Denn bereits am Tag nach der Tat des Habichts verlief die Welt der Hühner wieder in den üblichen Bahnen.

So ähnlich stellt sich nun die ganze Welt dar. Zwar divergieren die Zeiträume der Bereitschaft, zu vergessen, aber die Sucht nach Gewissheiten ist so groß, dass sich ihr alles unterzuordnen scheint. Die Verbrechen der Nazis werden von den Wählern der AfD vergessen. Die Klimakatastrophe und Atomkatastrophen vergessen die Wähler der CDU und die verbliebenen der FDP, die allerdings den Ausstieg nach Fukushima selbst beschlossen haben. Aber auch Grüne und SPD möchten in vielen Bereichen die Notwendigkeit zu Veränderungen nicht sehen, die SPD etwa im sozialen Bereich, in Fragen der Eigenverantwortung und im „unumstößlichen Gebot“ des Pazifismus’. Da gibt es doch einige, die Putin lieber die Ukraine weiter zusammenschießen lassen wollen, statt Waffen zu liefern. Bei den Grünen fehlt das Verständnis dafür, dass man Menschen bei Entscheidungen mitnehmen muss, Vorhaben erklären muss und die Freiheit des Einzelnen achten muss. Aber zum Glück gibt es Aiwanger. Der macht es allen vor: Seine Sympathiewerte sind richtig angestiegen, als rauskam, was für ein riesiges rechtes Arschloch er ist und dass es nichtmal der Marcus wagt, ihm ans Bein zu pinkeln oder ihn gar aus dem Verkehr zu ziehen. 
Überhaupt haben die Wahlen in Bayern und Hessen bewiesen, dass die Menschen keine Veränderungen wünschen: Im Bayern haben sich über zwei Drittel der Wähler für das rechte Lager entschieden, in Hessen immerhin noch weit über die Hälfte. Sie alle haben ganz klar das Hühnergen und rasen mit Freude auf den Abgrund zu. Ist ja schließlich nicht ihr Problem, wie die Welt in hundert Jahren aussieht!

Schade nur, dass durch all diese Verwirrungen in aller Welt so viele Ungewissheiten entstehen, etwa ob Taiwan von China angegriffen wird, wie die USA darauf reagierten, jetzt da die Hamas Israel angegriffen hat und doch auch die Ukraine nicht untergehen darf. Und was ist eigentlich mit diesem Assad und dem Typen in Nordkorea? Ach Mist. Naja vielleicht haben wir ja morgen all diese Fragen wieder vergessen? Mal sehen wer dann kommt, uns rupft und ausnimmt…

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